Eintritt: 7 €
Ermäßigt: 5 € (Mitglieder Freundeskreis, Schüler, Studenten und mit Behindertenausweis)
Für diese Veranstaltung bitten wir um Voranmeldung (Tel.: 06323 2322 oder E-Mail: herrenhaus-edenkoben@gmx.de).
Im Anschluss bieten wir ein von Volker Krug zubereitetes gemeinsames Abendessen zu Ehren von György Dalos an. Falls Sie daran teilnehmen möchten, bitten wir ebenfalls um Voranmeldung bis spätestens 26. November 2024. Teilnahme am Abendessen ist nur gegen Vorkasse (Kostenbeitrag: 25 €/Person) möglich. Wir bitten um Verständnis.
„Meine Lage in der Lage“, so lautet der Titel von György Dalos‘ erstem Roman, der 1979 im Westen erschien, und dieser Titel zieht sich wie ein gedanklicher roter Faden durch sein Werk. Geschichte ist nichts Abstraktes, und persönliche Erfahrungen sind ohne den Hintergrund politischer Ereignisse nicht begreifbar (Lerke von Saalfeld).
Die Lage des ungarischen Schriftstellers und Historikers (*1943) wurde bereits kurz nach seiner Geburt mit der Besatzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht und dem Beginn der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung auch in Ungarn, eine lebensbedrohliche. Nach dem Tod des Vaters, der an den Folgen von Zwangsarbeit starb, verbrachte er seine Kindheit und Schulzeit in verschiedenen jüdischen Kinderheimen und bei seiner Großmutter in Budapest. Es wird zum (Über-)Lebensprogramm, das späterhin auch sein Schreiben bestimmen wird, sich Meine Lage in der Lage immer wieder neu und genau anzuschauen. Allein auf Deutsch sind mehr als 20 Bücher erschienen, in denen er Geschichten und (ungarische/ osteuropäische) Geschichte erzählt.
Scheinbar mühelos schlüpft er aus der Haut des Schriftstellers in die des Historiographen und wieder zurück- eine seltene Doppelbegabung, die sowohl fruchtbar ist für die Literatur wie für die Geschichtsschreibung (Lerke von Saalfeld).
Zuletzt erschien bei C.H. Beck Das System Orban“ (2022), in dem György Dalos den rechtsnationalen Kollaps aller Werte einer liberalen Demokratie in Ungarn nachzeichnet und ihn anhand von Beispielen anschaulich und präzise analysiert. Für deutsche Leser ist dieser Autor ein besonderer Glücksfall, denn: Die Ungarn verspürten schon immer- womöglich aufgrund ihrer sprachlichen Isolation- ein ständiges, erhöhtes Bedürfnis, sich der übrigen Welt mitzuteilen. Kein Wunder, dass das Verb „erklären“, „klarmachen“ in unserer Sprache „magyarázni“ heißt, was laut wortgetreuer Übersetzung „ungarisch machen“ bedeutet. Seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren, seit ich im deutschen kulturellen Raum präsent bin, bewegt mich der hartnäckige Wunsch, die Welt, die mich entscheidend geprägt hat, jener anderen, in der ich heute lebe, jenseits semantischer Barrieren „ungarisch zu machen. (Aus seinem Vorwort zu „Ungarn in der Nussschale“ 2004)
Werke des Autors sind in 11 Sprachen übersetzt.
Kurzvita
1962 bis 1967 studierte er Geschichte an der Moskauer Universität und trat 1964 der Kommunistischen Partei bei. Aufgrund staatsfeindlicher Aktivitäten wurde er später zu sieben Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt, verlor seine Arbeit, wurde aus der Partei ausgeschlossen und erhielt Publikationsverbot. In den 1970er-Jahren war er an der demokratischen Opposition und an Publikationen der Bürgerbewegung in der DDR beteiligt.
1984 wurde György Dalos mit einem Stipendium des Berliner Künstlerprogramms des DAAD nach Westberlin eingeladen. An der Universität Bremen arbeitete er an der Forschungsstelle Osteuropa.
In den 1990er-Jahren war er unter anderem als Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, als Direktor des Ungarischen Kulturinstituts in Berlin und Kurator des Schwerpunkts Ungarn auf der Frankfurter Buchmesse sowie als Korrespondierendes Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste tätig.
Auszeichnungen
1995: Adelbert-von-Chamisso-Preis
1999: Gryphius Sonderpreis
2000: Goldene Plakette des Präsidenten der Republik Ungarn 2006: Verdienstkreuz der Republik Ungarn
2010: Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung
2015: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
2023: Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste
Bücher (Auswahl)
Die Beschneidung. Eine Geschichte, 1990.
Proletarier aller Länder - entschuldigt mich! Ende des Ostblockwitzes, 1993.
Der Versteckspieler. Roman 1994
Der Gottsucher. Eine Geschichte, 1999
Olga - Pasternaks letzte Liebe. Fast ein Roman, 1999
Seilschaften. Roman 2003
Ungarn in der Nussschale. Geschichte meines Landes, 2004, 2012.
Balaton-Brigade. Eine Geschichte, 2006.
Jugendstil. Roman, 2007
Der Vorhang geht auf. Zusammenbruch der osteuropäischen Diktaturen, 2010.
Gorbatschow. Macht und Mensch, eine Biographie, 2011.
Fall des Ökonomen. Roman. 2012.
Für, gegen und ohne Kommunismus. Erinnerungen. 2019
Das System Orbán. Die autoritäre Verwandlung Ungarns. 2022
Lerke von Saalfeld
Das Gespräch mit dem Autor über sein Leben und Werk wird Lerke von Saalfeld führen. Sie ist Jahrgang 1944, promovierte Literaturwissenschaftlerin, lebt und arbeitet als Journalistin und Literaturkritikerin in Stuttgart und Berlin. Für den Rundfunk wie für das Fernsehen führte sie regelmäßig Interviews mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik, darunter auch die Nobelpreisträger Günter Grass und Imre Kertész. Als Moderatorin leitet sie Symposien, Lesungen und Streitgespräche im Bereich Kultur und Politik.
Ihr besonderer Schwerpunkt liegt auf der ost-mitteleuropäischen Literatur. Die Autorin schreibt regelmäßig Literaturkritiken für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Veröffentlichungen u.a.
Saalfeld/Kreidt/Rothe: Geschichte der Deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart (München 1989, 2.Aufl.1991); „Ich habe eine fremde Sprache gewählt – ausländische Schriftsteller schreiben deutsch“ (Gerlingen 1999); Hörkassette, 25 CDs, „Wir waren voller Hoffnung“ – Zeitzeuginnen des 20.Jahrhunderts im Gespräch mit Lerke von Saalfeld, 2016